Ödipuskomplex / Georg Gröller

Seit Jahrzehnten wird die Auflösung traditioneller Familienstrukturen und das Schwinden der Autorität des Vaters konstatiert und entweder als Befreiung des Patriarchats gefeiert oder aber als Ursache für den Niedergang der gesellschaftlichen Ordnung beklagt. Mit der Lehre vom Ödipuskomplex hat Freud die Intervention des Vaters in die ursprüngliche Bindung des Kindes an die Mutter als entscheidendes Moment der Subjektbildung beschrieben und die universelle Notwendigkeit dieser väterlichen Intervention für die Bildung von Gesellschaft postuliert. Gleichzeitig stieß diese These innerhalb und außerhalb der Psychoanalyse auf heftigen Widerspruch und ist heute durch Phänomene wie die Patchworkfamilie und die Forderungen nach Ehe und Adoption für homosexuelle Paare diskussionsbedürftiger denn je. Die zentrale Fragestellung ist deshalb, ob der Ödipuskomplex tatsächlich ein universell notwendiger Mechanismus ist oder ob er durch andere Formationen der Subjektkonstituierung ersetzt werden kann. Zur Klärung dieser Fragestellung wurden narrative Spielfilme sowie experimentelle Literatur herangezogen, aber auch Kommunikationsformen der digitalen Medien befragt. Insbesondere konnten neue gesellschaftliche Formen der Etablierung von symbolischer Ordnung sichtbar gemacht und ihre Chancen und Risiken kritisch überprüft werden.

Georg Gröller

Dipl. Psych., Dr. phil., Studium der Psychologie, Philosophie und Betriebswirtschaft an den Universitäten München, Graz, Wien und Klagenfurt. Lehrbeauftragter des Psychologischen Instituts der Universität Wien. Gründungsmitglied und langjähriger Leiter des Unabhängigen Kinderschutzzentrums Wien. Psychoanalytiker in freier Praxis. Mitglied des Wiener Arbeitskreises für Psychoanalyse, Mitglied der Neuen Wiener Gruppe/Lacan-Schule.
Forschungsschwerpunkte: Psychoanalyse: Klinik – Ethik – Kunst.