Übertragung / Judith Kürmayr

Das psychoanalytische Konzept der Übertragung ist schon bei Freud widersprüchlich und vielfältig: Übertragung wird als Hindernis und/oder als Heilmittel gesehen und ist der Angelpunkt, um den sich in der psychoanalytischen Kur alles dreht. Denn in der Übertragung wiederholt sich das Signifikante, das ein Subjekt ausmacht. Als imaginäre Formation verstärkt sie den Widerstand gegen die Veränderung und drängt zur Wiederholung des Verdrängten. Im symbolischen Register geht es um die Anerkennung der Kastration An der Handhabung der Übertragung in der Klinik scheiden sich bis heute die einzelnen psychoanalytischen Schulen. Soll und muss oder kann man die Übertragung überhaupt deuten? Gibt es einen Platz jenseits der Übertragung, den man einnehmen kann, oder kann immer nur in der Übertragung gedeutet werden?
Ein anderes Verständnis der Übertragung tritt uns in literarischen Produktionen entgegen: Erst in der Kunst der Darstellung, in der Wahl der Worte, im Lesen zwischen den Zeilen überträgt sich etwas, das sich immer auch von Subjekt zu Subjekt und von Zeit zu Zeit unterscheidet und trotzdem, wenn es eine Wirkung entfaltet, eine Wahrheit beinhaltet.
Das Vorhaben richtete sich auf die Analyse und Verbindung beider Bereiche, um das darin verborgene Moment des Innovativen sichtbarzumachen.

Judith Kürmayr

Dr. med., Studium der Medizin und der Politikwissenschaften an der Universität Wien; Psychoanalytikerin in freier Praxis; langjährige Leiterin des Unabhängigen Kinderschutzzentrums Wien; Spezialisierungen: Fortbildung und Supervision vor allem im psychosozialen Bereich, psychoanalytische Paartherapie. Mitglied der Forschungsgruppe stuzzicadenti und der Neuen Wiener Gruppe/Lacan-Schule.
Forschungsschwerpunkt: Übertragung und Literatur.